Liebe Leser des Rabenbaums

es ist noch nicht sehr lange her, da wurde in dem niedersächsischem Landkreis, in dem ich wohne, eine große Treibjagd veranstaltet.

Ich war schockiert, wie hilflos man diesem fragwürdigem "Sport" als einzelner ausgeliefert ist.

Ich will es dennoch nicht kommentarlos hinnehmen und so schrieb ich die  Geschichte vom

Rat der Tiere.....



Der Rat der Tiere     

 

Es war wieder Herbst und wieder war es  Zeit für die alljährliche Treibjagd im Nornenwald.

Jahr für Jahr fürchteten die Tiere des Waldes diesen Tag. In jedem Jahr wurden die Jäger grausamer und brutaler, doch in diesem Jahr waren sie zudem auch noch besonders zahlreich.

Früh am Morgen hörten die Tiere die Jagdhörner und das aufgeregte Gebell dutzender Hunde. Die Elstern erzählten den Tieren von dreißig bis vierzig Jägern und doppelt sovielen Treibern. Ziel dieser Jagd sollte es sein, den Wildschweinen den Garaus zu machen. Man machte die Wildschweine für die Schäden in Wald und Flur verantwortlich.

Für die versammelten Jäger war dies natürlich ein Freibrief. Sie fuhren mehrere hundert Kilometer in ihrem teuren Geländewagen um dabei zu sein, derjenige zu sein, der in die Augen der Tiere schaut, bevor sie sterben würden. Und es sollten viele Tiere sterben…

Als der Tag zu Ende ging und die Sonne am Horizont versank, hing der Geruch vom Tod über dem Nornenwald. Es war leise und friedlich, wenn nicht dieser Geruch  in der Luft gehangen hätte. Das Gebell war verklungen und die toten Tiere wie Abfall auf die Anhänger verladen. Hier und da suchten Rehkitze nach den Ricken und kleine Füchse warteten vergeblich auf die Rückkehr der Fehen.

Der alte Hirsch trat auf die Lichtung, scharrte wütend mit dem Huf und brüllte:“ Tiere des Waldes ich rufe Euch, Geister des Waldes eilt herbei, das sinnlose Töten, rein zum Spaß, es muss ein Ende finden.“

Wütend schnaubend warf er seinen mächtigen Kopf mit dem imposanten Geweih zurück und stieß dampfenden Atem durch die Nüstern.

Nach kurzer Zeit begann sich die Lichtung mit Leben zu füllen, zuerst kamen die Mäuse und die Marder, dann fanden sich Dachs und Wiesel ein, in den Zweigen sah man Tauben, Eulen, Krähen und Raben und mitten in der alten Eiche ließ sich mit einer gigantischen Spannweite der alte Uhu nieder.

Bussard, Falke, Sperber und Habicht hielten aus einiger Entfernung auf die Lichtung zu und die Rotte Wildschweine, die das Morden überlebten, waren ebenfalls gekommen.

Wer von den Tieren genau hinsah, konnte schemenhaft die Geister der Tiere entdecken, welche bereits vor langer Zeit erlegt wurden. Man konnte den Wolf und den Bären erahnen und auch die Tiere die am Morgen starben waren da und suchten verzweifelt nach ihren Kindern.

Als die Lichtung gefüllt war, sah der Hirsch jedem einzelnen in die Augen und bei den meisten sah er die gleiche Entschlossenheit, die er tief in seinem Herzen fühlte.

Der Hirsch hob die Stimme und sprach:“ Tiere des Waldes, Heute war ein schwarzer Tag, den wir nie vergessen werden. Kinder verloren ihre Eltern, liebende ihre Partner, der heilige Waldboden wurde  mit Blut getränkt und viele von uns sind nun schwer verletzt und werden vermutlich den nahenden Winter nicht überstehen. Ich will Rache!!.“

Unruhe unter den Tieren brach los, alle wollten sich rächen und malten sich in ihren Wunschträumen aus wie es sein würde ihren Wünschen Taten folgen zu lassen.  Ein heilloses Durcheinander von Stimmen und Ideen legte sich über die Lichtung.

Der Geist des Bären trat auf die Lichtung und sagte:,,Vor vielen Jahren wurde ich getötet. Ich war der letzte meiner Art im Nornenwald. Bis zu jenem Tag sorgten der Wolf und ich für das Gleichgewicht. Jedes Wesen hatte seinen Platz und seine Berechtigung, die Alten und Kranken starben, oder sie wurden unsere Beute. Es war der Zyklus. Nun, wo wir nicht mehr da sind, maßt sich der Mensch an, das Gleichgewicht herstellen zu wollen?

Wer ist er, dieser Mensch? Was ich Heute sah und in den vergangenen Jahren macht mich wütend! Ich will diesen Menschen, ich will ihn ohne Waffe, er soll mit seiner Kraft kämpfen…Sie nennen sich Jäger..hahahahah. Vor vielen Jahren da gab es Jäger. Mit Pfeil und Bogen, dem Speer, oder mit bloßen Händen. Das waren Jäger, die uns aus Hunger und nicht aus Habgier oder einer sexuellen Fehlleitung gejagt haben.

Nun trat ein kleines Rehkitz auf die Lichtung vor den Hirsch trat und sprach :,,Ich möchte, dass sie das gleiche empfinden.“

Auf einmal war es ruhig auf der Lichtung. Es war das, was im Grunde alle wollten. Ein Mensch sollte auf ebendiese Weise leiden, wie die Tiere es jedes  Jahr mussten.

 

Nun trat nachdenklich der Geist des Wolfes auf die Lichtung an die Seite des Kitz und sprach zum Hirschbullen:,, Freund, du musst es noch wissen, dir wurde es noch überliefert, das Wissen um den Wächter des Waldes. Es ist an der Zeit ihn zu rufen. Die Legende besagt, dass großes Unheil über den Nornenwald käme und der Wächter durch ein Kitz aus dem ewigen Schlaf erwachen würde.

Es wurde kalt auf der Lichtung und ein Ausdruck von Furcht machte sich in den Augen des Hirsches breit,  als er in die gelben Augen des Geisterwolfes blickte. Er nickte mit seinem mächtigen Kopf, sah in die entschlossenen Augen des Kitzes und trat einen Schritt zur Seite.

Geh, sprach er zum Kitz und trat einen Schritt zur Seite.  Dass Kitz ging zögernd auf die mächtige Eiche zu und stellte sich aufrecht an den Baum und trommelte weinend mit den Hufen an den Stamm. Tränen liefen ihm über das Fell und die Tiere hielten den Atem  an, als der Hirsch begann ein tiefes dunkles und gleichmäßiges Brüllen anzustimmen. Der Bär und der Wolf fielen in den Gesang ein und in kurzer Zeit vollzogen sie das uralte Ritual… 

Der Uhu ahnte, was nun kommen würde und flog aus der Reichweite der Eiche und dann begann der Boden zu zittern und die Eiche zu leben. Sie streckte sich und zog ihre Wurzeln aus der Erde. Ein knacken und keuchen erfüllte die Lichtung und die Tiere hielten den Atem an.

Die Eiche kam zur Ruhe und stand vor dem kleinen Kitz, dass am liebsten auf der Stelle gestorben wäre. Ein Griff mehrerer Äste und das Kitz wurde in die Höhe gehoben.
Der Wächter öffnete die Augen und sah das Kitz schweigend an. Diese Augen würden das Kitz nie mehr vergessen, sie konnten liebevoll, oder auch gnadenlos blicken. Auf jeden Fall nahmen sie von dem Besitz, was in ihr Blickfeld geriet.

Du willst, dass sie leiden? Dass sie die gleiche Furcht und denselben Schmerz fühlen?

Das Kitz blickte völlig unerschrocken und gefasst in die Augen des Wächters und antwortete ohne zu zögern:,, Genau das will ich!“

Der Wächter ließ das Kitz vorsichtig zu Boden und sah in die Runde der versammelten Tiere und antwortete :,, Dann soll es so sein!“

© Guido Schmidt 2009

Fortsetzung folgt.

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